Teilprivilegierung im BauGB
Um den Ausbau der Solarenergie zu beschleunigen, wurde Anfang 2023 im Baugesetzbuch (BauGB) eine Teilprivilegierung der Photovoltaik-Freiflächenanlagen (§ 35 Absatz 1 Nr. 8 lit. b) BauGB) eingeführt. Sie gilt für Anlagen auf Flächen in einem 200 Meter breiten Korridor entlang von Bundesautobahnen und Schienenwegen des übergeordneten Schienennetzes, welche über zwei Hauptgleise verfügen (definiert in § 2b Allgemeines Eisenbahngesetz). Mit der Privilegierung soll der Bau von Solarparks auf vorbelastete, naturschutzfachlich weniger wertvolle Flächen gelenkt werden. Entlang dieser Strukturen können Solarparks mit einem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Landesbauordnung errichtet werden (KNE 2024).
Planungsprozess der privilegierten Anlagen
Für den Bau privilegierter Solarparks beantragt der Projektierer lediglich eine Baugenehmigung bei der zuständigen Baubehörde. Die Erstellung eines umfangreichen Bebauungsplanes entfällt.
Zudem wird die Eingriffs-Ausgleichsbilanzierung durchgeführt und die Wirkung des Vorhabens auf den Naturhaushalt abgeschätzt. Bei Hinweisen auf das Vorhandensein von besonders oder streng geschützten Arten, ist außerdem eine Erfassung und daran anschließend eine artenschutzrechtliche Prüfung nach § 44 Absatz 1 BNatSchG durchzuführen. Zu beachten ist, dass bei privilegierten Anlagen die Eingriffs-Ausgleichsbilanz nach BNatschG und nicht nach BauGB angewendet wird (§ 13 BNatSchG).
Die zuständige Baubehörde setzt die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Maßgaben der Unteren Naturschutzbehörden fest. Je nach Ausgestaltung der Anlage und je nach Standort können die Beeinträchtigungen innerhalb des Solarparks kompensiert werden. Ist dies nicht möglich, müssen die Ausgleichsflächen im selben Naturraum, aber nicht unbedingt auf der Fläche der Gemeinde umgesetzt werden. Trotz der Vorbelastung der Flächen durch die Autobahnen und Schienenwege, sollten auch privilegierte Solarparks naturverträglich gestaltet und in den Biotopverbund eingebunden werden. Für nicht zu kompensierende Eingriffe ist auch die Zahlung eines Ersatzgeldes möglich. Die Möglichkeiten der räumlichen Steuerung durch die Kommunen sind bei privilegierten Anlagen deutlich beschränkt. Aufgrund der gesetzlich festgelegten Privilegierung ist keine Zustimmung des Gemeinderats mehr notwendig. Über den Ort und die Ausgestaltung des Solarparks entscheidet die Untere Baubehörde im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. Die Bürger- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung entfällt in diesem Verfahren.
Naturverträglichkeit der privilegierten Anlagen
In zahlreichen Veröffentlichungen zur Freiflächenphotovoltaik gelten visuell und akustisch vorbelastete Flächen entlang von Verkehrsinfrastrukturen aufgrund ihres geringen Freiraumpotenzials als geeignete Potenzialflächen für Solarparks, sofern keine weiteren übergeordneten Ziele der Raumordnung entgegenstehen (vgl. KNE 2024b).
Zu beachten ist allerdings, dass eine Bündelung bestehende Barriereeffekte auch verstärken kann. Das verträgliche Maß der Bündelung und damit verbundene Wirkungen, wie zum Beispiel die Fragmentierung der Landschaft, sind jeweils im Rahmen der Planung und Genehmigung von neuen Anlagen zu ermitteln. Diese Wirkungen sind standortbezogen und je nach Ausbreitungsverhalten der betroffenen Arten unterschiedlich zu bewerten. Die Wirkungen sind zudem umso größer, je länger die Strecken sind, die zum Beispiel von Tieren auf der Suche nach Nahrung oder Paarungspartnern zurückgelegt werden müssen (Altena et al. 2018). Um solche Barriereeffekte zu reduzieren, sollten standortangepasste Maßnahmen, etwa zur Verbesserung der Durchlässigkeit der Anlage, umgesetzt werden (Peter et al. 2023).
Da das Verkehrsnetz verschiedene Lebensräume und Landschaften verbindet, können entsprechend ausgestaltete Solarparks eine Korridor- und Trittsteinfunktion einnehmen und so zur Lebensraumvielfalt oder zur Wiederausbreitung von Arten sowie zur Funktionssicherung von Querungshilfen beitragen (Niemann et al. 2017).
Auch privilegierte Anlagen sollten daher in den Biotopverbund eingepasst und Tabuflächen von Bebauung freigehalten werden. Der durch die Privilegierung möglicherweise verstärkte Ausbau der Anlagen sollte im Biotopverbund nicht zu einem weiterem Habitatverlust oder zu einer Verschlechterung der Habitatqualität und der Isolation von Populationen führen. Indem der Gesetzgeber den zulässigen Korridor auf 200 Meter begrenzt, werden die Anlagenbreite und damit auch die potenzielle Barrierewirkung eingeschränkt.
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