Grundsatzbeschluss, Kriterienkatalog und Standortkonzept
Kommunen können den Ausbau der Solarenergie durch Grundsatzbeschlüsse, Kriterienkataloge und Standortkonzepte vorausschauend steuern: Während in Grundsatzbeschlüssen eher allgemeinere Ziele und Leitlinien festgehalten werden, können Kriterienkataloge sehr detaillierte Vorgaben für die Ausgestaltung zukünftiger Projekte enthalten. Standortkonzepte dienen der Ermittlung von Potenzialflächen und werden auf Grundlage oder auch unabhängig von Kriterienkatalogen oder Grundsatzbeschlüssen erstellt. Die Dokumente sind zwar rechtlich unverbindlich, bieten aber Unterstützung bei der Planung der Anlagen sowie bei der Kommunikation mit Investoren. Besonders das Standortkonzept bietet die Möglichkeit einer ortsgenauen Flächenplanung für Solarparks unter Berücksichtigung einer umweltschonenden Standortwahl. Die Inhalte des Standortkonzepts und des Kriterienkatalogs können in den Flächennutzungsplan übernommen werden und so planungsrechtlich gesichert werden.
Der Ausbau der Solarenergie wird mit dem Solarpaket aus dem Frühjahr 2024 und weiteren Gesetzesvorhaben stark beschleunigt. Dies bedeutet, regional unterschiedlich, für die Kommunen eine hohe Zahl an Projektanträgen oder Bauvoranfragen, von denen möglicherweise nicht alle umgesetzt werden können. Um einen vorausschauenden, aktiv gesteuerten Ausbau der Solarenergie auf dem Gemeindegebiet zu realisieren, können die Kommunen Grundsatzbeschlüsse, Kriterienkataloge oder Standortkonzepte nutzen.
In der Praxis zeigen sich sehr unterschiedliche Vorgehensweisen von Kommunen. Die Bandbreite reicht von sehr allgemeinen Grundsatzbeschlüssen im Gemeinderat bis hin zu detailliert ausgefeilten Kriterienkatalogen mit Checklisten, die als Grundlage für die Priorisierung von Bauvoranfragen genutzt werden. Sie können, ebenso wie Standortkonzepte, auch interkommunal von mehreren Gemeinden erarbeitet werden (LEA HE 2024).
Grundsatzbeschluss und Kriterienkatalog
Der Grundsatzbeschluss wird vom Gemeinderat als Selbstverpflichtung verfasst und beschlossen. Er kann einerseits übergeordnete Ziele enthalten, wie beispielsweise kommunale Ausbauziele in Fläche oder installierter Nennleistung. Anderseits können auch gemeindespezifische Bedarfe hinsichtlich der Ausgestaltung von Solarparks Bestandteil des Grundsatzbeschlusses sein. Um den naturverträglichen Ausbau der Solarenergie zu fördern, sollten ökologische Aspekte immer aufgegriffen werden.
Der Grundsatzbeschluss ist ein Dokument ohne rechtlich bindende Wirkung nach außen und wird, ebenso wie der Kriterienkatalog, eher als ‚interne Leitlinie‘ zur Entscheidung über den Beginn einer Bauleitplanung genutzt (Günnewig et al. 2022). Durch die ortsübliche, offizielle Bekanntmachung wird jedoch Flächeneigentümern und Investoren deutlich, dass sich die Kommune bereits mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien befasst hat und welche Ziele sie verfolgt. Auch für die Entscheidungsfindung innerhalb des Gemeinderats ist ein gemeinsamer Grundsatzbeschluss hilfreich, da die Rahmenbedingungen nicht bei jedem Vorhaben neu verhandelt werden müssen.
In einem Kriterienkatalog wird der Ausbau der Photovoltaik auf Freiflächen in der Regel detaillierter skizziert als im Grundsatzbeschluss. Oft werden viele Akteursgruppen wie Bürgerinnen und Bürger, Landwirtschaft, Gewerbe oder Naturschutz in die Erarbeitung involviert, wobei es keine Vorgaben für Umfang oder Ausgestaltung gibt (LEA HE 2024).
Bei der Erstellung sollte berücksichtigt werden, dass die Kriterien geeignet und rechtlich zulässig sein müssen:
- Sie sollten vor allem solche Themen und Aspekte behandeln, bei denen die Kommune auch einen Entscheidungsspielraum hat (LEA HE 2024).
- Sie müssen verhältnismäßig und städtebaulich begründbar sein (LEA HE 2024).
- Sie dürfen der Abwägung in einem späteren Bauleitplanverfahren nicht vorgreifen und sollten daher nicht zu konkret formuliert sein (LEA HE 2024).
- Sie sollten auf wenige relevante Punkte beschränkt bleiben. Dies bietet mehr Flexibilität im Rahmen der Bauleitplanung (Roß & Wilke 2024b).
Im späteren Bauleitplanverfahren ist es möglich, Kriterien aus dem Kriterienkatalog in die textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans zu überführen (LEA HE 2024). Die Kommune darf auch von den selbst gewählten Kriterien abweichen, muss dies aber in der Abwägung über den jeweiligen Bauleitplan ausdrücklich begründen. Je mehr Kriterien formuliert wurden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht alle erfüllt werden können und Abweichungen umfassend begründet werden müssen. (Günnewig 2022; Roß & Wilke 2024b)
Geeignete Kriterien zur Berücksichtigung von Natur- und Landschaftsschutz sind zum Beispiel Hinweise zum Landschafts- und Ortsbild mit Vorgaben zur Freihaltung bestimmter Teile oder bestimmter Sichtachsen innerhalb der Kommune. Auch die Einsehbarkeit der Solarparks kann thematisiert werden. Bezogen auf den Natur- und Artenschutz treffen manche Kommunen Festlegungen zur Freihaltung sensibler Lebensräume und Biotoptypen (über die gesetzlichen Vorgaben hinaus) oder fordern eine biodiversitätsfördernde Pflege der Fläche. Auch weitere Maßnahmen zur Durchlässigkeit der Anlagen und zur Erhöhung der Biodiversität in den Solarparks können hier benannt werden. (LEA HE 2024)
Um die Standortwahl zu steuern, können im Kriterienkatalog die übergeordneten Planungen berücksichtigt oder vorbelastete Flächen als vorrangig zu nutzend benannt werden. Gleiches gilt für privilegierte Flächen nach §35 BauGB oder die förderfähigen Flächen nach §37 EEG. (LEA HE 2024)
Bezogen auf den späteren Rückbau des Solarparks können bereits im Kriterienkatalog die Einhaltung von Betriebs- und Wartungsplänen, regelmäßige Überprüfungen der Anlagen oder die Sicherstellung von finanziellen Rücklagen für den Rückbau eingefordert werden. (LEA HE 2024)
Als ungeeignet für eine Regelung im Kriterienkatalog gelten Kriterien, die über eine unmittelbar städtebauliche Relevanz hinausgehen, wie zum Beispiel investorenbezogene Kriterien. Dies können zum Beispiel Vorgaben zum Netzanschluss sein, die die Projektierer im frühen Planungsstadium einer Bauvoranfragen noch gar nicht erfüllen können (Roß & Wilke 2024b).
Zu beachten ist auch, dass nicht alle Kriterien rechtlich zulässig sind. Besondere Vorsicht ist zum Beispiel bei Vorgaben zur finanziellen Teilhabe gegeben, die über § 6 EEG bzw. die jeweiligen Länderregelungen hinausgehen (Günnewig 2022). Auch das Bevorzugen lokaler Investoren oder regional tätiger Unternehmen ist nur begrenzt zulässig. Bei derartigen Kriterien müssen die Risiken einer Strafbarkeit nach den §§ 331 ff. StGB (Vorteilsnahme, Bestechlichkeit) ausgeschlossen werden. (Günnewig 2022; Roß & Wilke 2024b)
Standortkonzept
Im Gegensatz zum Grundsatzbeschluss werden im Standortkonzept bereits räumlich konkrete Aussagen gemacht. Das Ziel des Konzeptes ist es, mittels einer Potenzialflächenanalyse Gebiete mit geringem Konfliktrisiko für die Solarenergie zu ermitteln (siehe dazu auch eine Auswertung der Handreichungen der Bundesländer in KNE 2024). Es wird von der Gemeinde selbst oder von einem dafür beauftragten Landschaftsplanungsbüro erstellt. Die meisten Bundesländer stellen Arbeitshilfen zur Verfügung, die Kommunen bei der Potenzialflächenanalyse unterstützen. Erste Bundesländer bieten Potenzialflächenanalysen auch in webbasierten Energieatlanten an. Diese ermöglichen den Export der Daten, so dass die Kommunen sie für die Erstellung ihrer Standortkonzepte nutzen können (KNE 2025). Standortkonzepte werden in der Regel wie folgt entwickelt (vgl. Günnewig et al. 2022, StMB 2024, LEA HE 2024, MID 2024, Roß und Wilke 2024 a, b):
Arbeitsschritte:
→ Identifizieren aller Freiflächen im Untersuchungsraum, die potenziell für die Errichtung eines Solarparks in Frage kommen
→ Ausschluss von Flächen, die aufgrund rechtlicher Vorgaben für die Überstellung mit Modulen nicht geeignet sind (z. B. Naturschutzgebiete)
→ Ausschluss von Flächen mit übergeordneten Zielen der Raumordnung (z. B. Vorrang-, Vorbehalts- oder Eignungsgebiete aus dem Raumordnungsplan)
→ Kennzeichnen von Flächen, die aufgrund von konträren Nutzungskonflikten einer besonderen Abwägung und Prüfung bedürfen (z. B. Biosphärenreservate oder Naturparks)
→ Berücksichtigung weiterer, von der Kommune festgelegter Auswahlkriterien
→ Planerische Darstellung der Flächen, auf denen keine oder nur geringfügige Nutzungskonflikte zu erwarten sind
Beispiele aus der Praxis zeigen eine große Bandbreite möglicher Auswahlkriterien. Ausgeschlossen werden beispielsweise Naherholungs-, Trinkwasserschutzgebiete oder Überschwemmungsgebiete. Auch biogeographische Aspekte wie eine hohe Bodenpunktzahl, wertvolle Böden (Moorböden), das Vorhandensein wertvoller Biotope oder Hangexpositionen in Vorgebirgslandschaften führten in der Praxis zu einem Ausschluss der Flächen. Ebenso wurden geplante oder realisierte Solarparks in Nachbargemeinden sowie mögliche Netzanschlusspunkte berücksichtigt. Darüber hinaus wurden auch förderfähige Flächen aus dem EEG oder privilegierte Flächen entlang von Autobahnen und Schienenwegen in der Karte visualisiert.
Sind alle Auswahlkriterien berücksichtigt, definiert die Kommune auf der Grundlage dieser Analyse in Zusammenarbeit mit den Planungsbüros die Potenzialflächen für künftige Solarparkprojekte. Das Standortkonzept ist zwar für sich genommen nicht zwingend bei der Planaufstellung umzusetzen. Es ist jedoch im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen und hat sich in der Praxis als wertvolle Grundlage für die Kommunikation zwischen allen Beteiligten bewährt. Liegt ein kommunales Standortkonzept vor, wird es bei der Aufstellung von Bauleitplänen, insbesondere auch der Flächennutzungsplanung, berücksichtigt (§ 1 Absatz 6 Nr. 11 BauGB).
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Weiterführende Informationen
- Handreichungen der Länder zu Naturschutz und Solarparks
- Kriterien für eine naturverträgliche Standortwahl von Solar-Freiflächenanlagen. Übersicht über die Einstufung verschiedener Flächentypen
- KNE-Auswahlbibliografie „Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Naturschutz“
- KNE-Publikation: Schutzgebiete des Naturschutzrechts und erneuerbare Energien. Auf einen Blick.
- WEA und PV-FFA in FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten
- Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage auf Kompensationsflächen
- Anforderungen an die sogenannte Öffnungsklauseln für PV-FFA und Agri-PV innerhalb von Landschaftsschutzgebieten
- Solarparks in Überschwemmungsgebieten
- KNE-Podcast: Erneuerbare Energien im Biosphärenreservat – passt das?
- Welche digitalen Tools stehen zur Ermittlung von Potenzialflächen für Solarparks zur Verfügung?
Quellen
Günnewig, D., Johannwerder, E., Kelm, T., Metzger, J., Wegner, N., Moog, C., Kamm, J. (2022): Umweltverträgliche Standortsteuerung von Solar-Freiflächenanlagen – Abschlussbericht. TEXTE 141/2022. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau. 442 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.03.2025)
KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2024): Kriterien für eine naturverträgliche Standortwahl von Solarparks. Berlin. 16 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 04.03.2025)
KNE − Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (2025): Informationsgehalt der Energieatlanten der Länder. Berlin. 16 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff: 11.07.2025)
LEA HE – Landesenergieagentur Hessen (2024): Freiflächenphotovoltaik aus kommunaler Sicht – Den Ausbau der Solarenergie vor Ort steuern. Wiesbaden. 1–72 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff 03.03.2025)
MIKWS SH – Ministerium für Inneres Kommunales Wohnen und Sport Schleswig-Holstein, & MEKUN SH – Ministerium für Energiewende Klimaschutz Umwelt und Natur. (2024). Grundsätze zur Planung von großflächigen Solar-Freiflächenanlagen im Außenbereich (p. 48). Link zum Dokument (letzter Zugriff 04.12.2024)
MID – Ministerium für Infrastruktur und Digitales Sachsen-Anhalt (2021): Raumplanerische Steuerung von großflächigen Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Kommunen. Arbeitshilfe. 17 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff 04.03,2025)
Roß, T., & Wilke, J. (2024a). Möglichkeiten der räumlichen Steuerung beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik mittels kommunaler Kriterienkataloge. 1. Arbeitspaket: Zusammenstellung der rechtlichen Grundlagen der Freiflächen-Photovoltaik-Steuerung. 21 S. Im Auftrag der Landesgesellschaft NRW.Energy4Clima. Link zum Dokument (letzter Zugriff 04.12.2024)
Roß, T., & Wilke, J. (2024b). Möglichkeiten der räumlichen Steuerung beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik mittels kommunaler Kriterienkataloge. 2. Arbeitspaket: Arbeitshilfe mit konkreten Kriterien. Im Auftrag der Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate. Link zum Dokument (letzter Zugriff 04.12.2024)
StMB – Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (2025): Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Freiflächen-PV-Anlagen; insbesondere Neuregelung der Privilegierungstatbestände in § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) und Nr. 9 Baugesetzbuch (BauGB). 15 S. Link zum Dokument (Letzter Zugriff 03.03.2025)
StMB – Bayerisches Staatsministerium für Wohnen Bau und Verkehr. (2024). Hinweise ‚Standorteignung‘. Anlage zu Bau- und landesplanerische Behandlung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen. – Stand 10.12.2021 44 S. Link zum Dokument (letzter Zugriff 22.01.2025)
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